MOLINA BARDOWICK

Der Bardowicker Münzfund
 - Die kuriose Geschichte eines bedeutenden Fundes -

Vorder- und Rückseite einer Münze aus der Bardowicker Münzstätte - sog. “Niederelbischer Agrippiner”, geprägt etwa 1050 - 1090 , Originalgrösse d = 16 mm -

Gegenständliche Zeugnisse aus der wissenschaftlichen Quellenforschung zur Bardowicker Frühgeschichte sind eher spärlich. Neben Keramik aus dem frühen Mittelalter, den ebenso alten Mühlsteinen und dem hölzernen Stockradgetriebe der verschollenen Wassermühle, einigen Metallgegenständen wie Lanzenspitzen, Äxte, Mörser, Hufeisen, einer kleinen Bronzefigur und dem beachtlichen Fund kleiner Scheibenfibeln aus karolingisch-ottonischer Zeit - siehe Gildehaus -gilt der Bardowicker Münzfund von 1912 als das wissenschaftlich bedeutendste archäologische Zeugnis für die Blütezeit Bardowicks vor der Zerstörung. Der Münzfund (Vergrabungszeit etwa 1165) beinhaltete auch eine Anzahl von Münzen aus der “Bardewicensis moneta” - jener Bardowicker Reichsmünzstätte, die 965 erstmals erwähnt wurde. Leider ist von dem Fund, der nach glaubhafter Aussage der Finder etwa 400 Münzen umfasste, nur ein kleiner Teil von 64 Stücken für wissenschaftliche Auswertung und museale Zwecke (Museum für das Fürstentum Lüneburg) erhalten geblieben. Der Rest ist “in alle Winde zerstreut”, wie Emil Bahrfeldt und Wilhelm Reinecke in ihrem Fundbericht voller Bitterkeit schreiben, doch lesen Sie selbst:

Der Bardewiker Münzfund
von
Emil Bahrfeldt und Wilhelm Reinecke
Verlag der “Berliner Münzblätter”
Berlin - 1913

Am Morgen des 24. April 1912 stießen einige im Dienste des Abbauers Heuer, Bardewik*, beschäftigte Erdarbeiter aus Handorf (Kr. Winsen a. L.) beim Abstechen eines mit Heide bewachsenen Sandhügels, der zum Aufhöhen eines Ackers benutzt werden sollte, auf einen vergrabenen Schatz, bestehend aus einem halben Silberbarren. aus Hohlmünzen und Denaren, einem silbernen Fingerringe und dem umhüllenden Tongefäße. Letzteres war mit seinem Inhalt 1-1/2 m unter der Erdoberfläche beigesetzt und mit dem Spaten derart durchstochen, daß die tiefer stehenden Arbeiter von einem wahren Silberregen überschüttet wurden. Die treffliche Erhaltung der Münzen läßt vermuten, daß das Gefäß auf den Kopf gestellt und die Offnung etwa durch einen flachen Stein geschützt gewesen ist; eine genaue Feststellung darüber war nicht zu erbringen.

Der Fundort befindet sich dem „ Brückenende“ des Fleckens Bardewik gegenüber am rechten Ufer der Ilmenau, etwa 600 m östlich vom Kopfe der uralten Gaubrücke, 450 m südöstlich der Stelle, wo von der ebenso alten Handelsstraße Bardewik—Artlenburg ein Fahrweg nach Vrestorf abzweigt. Der Hügel, kurzweg “Heidberg“ genannt, in seiner noch notdürftig erhaltenen, westlichen Hälfte steil abfallend, bildet den letzten Ausläufer einer längeren Hügelkette und hebt sich in seinem Umrisse für einen am linken Ufer der Ilmenau, in Bardewik, befindlichen Beobachter deutlich ab. Seine Kuppe, auf dem Meßtischblatte Nr. 1215 (Artlenburg) eingetragen, mag in vorgeschichtlicher Zeit als Begräbnisplatz gedient haben, wenigstens erzählte ein Bardewiker Kleinkötner, daß er als Knabe, vor etwa 25 Jahren. beim Hüten seiner Kühe am Hügel herumgegraben und Reste eines Skeletts aufgedeckt habe. Eine Untersuchung des Hügels, die vom Museum Lüneburg am 17. Mai 1912 vorgenommen wurde, ergab keinerlei weitere Anhaltspunkte.

Die Begleitumstände des Fundes waren denkbar ungünstig. Während der »Heidberg“ fast das ganze Jahr hindurch in stiller Einsamkeit daliegt, hatte sich just an jenem Aprilmorgen, kaum fünf Minuten entfernt, in einem nicht lange zuvor erbauten Schützenhause eine größere Schar von Schützen zum Zwecke eines Preisschießens zusammengefunden, Männer aus Bardewik, aus Lüneburg, Winsen a. L., Harburg a.E. und anderen nahen und ferneren Ortschaften. Die Erdarbeiter begaben sich mit ihrem Funde unverzüglich dorthin und teilten in der ersten Entdeckerfreude von ihrem Schatze freigebig aus — für ein Glas Bier, ein Paar Zigarren, für einen Schnaps konnte man da in schönster Auswahl die merkwürdigen dünnen Gepräge erstehen, die von manchen als Zierscheiben von Staniolflaschenköpfen erklärt wurden. Was in den Händen der Finder blieb, wurde am selbigen Abend in Bardewiker Schänken zu Gelde gemacht, bis auf einen kleinen Rest. Der Eigentümer des Heidberges, der Kleinkötner J. H. Bardowicks jun. in Bardewik, erfuhr von dem Funde nicht durch die Erdarbeiter, sondern von dritter Seite erst, als die Münzen in alle Winde zerstreut waren.
Das nächstinteressierte Museum Lüneburg hatte die Aufgabe, zu retten, was gerettet werden konnte, und der Konservator des Museums hat 3 1/2 Tage des Frühlings 1912 in Bardewik zugebracht, um durch Bitten und eindringliche Vorstellung hier, mit klingender Münze dort, die Gemüter der Bardewiker weich zu stimmen für eine Wiederherausgabe der Fundobjekte. Eine ausgedehnte Korrespondenz zur Verfolgung anderer Spuren diente dem gleichen Bestreben. Nicht ohne Stolz wird das Ergebnis heißen Bemühens nunmehr vor Augen geführt, wenn auch leider nicht ohne bitteres Empfinden. Was ein Privatsammler in seiner keineswegs blinden Leidenschaft über sich vermag, davon könnte die Geschichte des Bardewiker Brakteatenfundes ein erschreckendes Lied singen — ein Hauptbeteiligter hätte es verdient, daß seine erstaunliche Methode einmal öffentlich beleuchtet würde.
Dank dem Entgegenkommen des Herrn J. H. Bardowicks ist es dem Museum gelungen, mit den Scherben des Tongefäßes den Fingerring, den Silberbarren, 42 verschiedene Brakteaten in je einem, einzelne in zwei Exemplaren zu erwerben, ferner 22 Denare. Die Angaben über den Gesamtinhalt des Gefäßes hatten die Tendenz, im selben Maße zu wachsen, wie die Zeit, die nach dem Funde verstrich. Die ursprüngliche Mitteilung der Finder, daß das Gefäß etwa 100 größere Münzen (Brakteaten), 300 kleine (Denare) geborgen hat, wird annähernd richtig sein, sie würde zumal mit der Größe des Gefäßes wohl übereinstimmen.

* Emil Bahrfeldt und Wilhelm Reinecke wählten bewußt für ihren Bericht die altüberlieferte Schreibart “Bardewik” und bezeichnen die Lesart “Bardowick” als eine durch einen Irrtum (?) offiziell gewordene Schreibweise des Ortsnamens.

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