Molina Bardowick

Der Bardewiker Münzfund
von
Emil Bahrfeldt und Wilhelm Reinecke
Verlag der “Berliner Münzblätter”
Berlin - 1913

- 1. Fortsetzung -

Was unseren Fund von vornherein zu außerordentlicher Bedeutung erhebt, ist seine innige Verbindung mit Bardewik.

Bardewik ist vielleicht das älteste städtische Gemeinwesen im ganzen nördlichen Deutschland. Immer wieder hat man es schmerzlich empfunden, daß seine Geschichte so sehr im Dunkeln liegt. Überaus dürftig ist die schriftliche Uberlieferung. Wir wissen, daß Karl der Große in den Jahren 795 und 798 mit seinem Heere in Bardewik lagerte, daß ein kaiserlicher Sendbote (missus) des Namens Hredi dort seines Amtes walten sollte, und daß nach der entsprechenden Verordnung, dem bekannten Kapitulare von 805, die Kaufleute, die mit den slavischen Gebieten Handel treiben wollten, bis Bardewik ihren Geschäften nachgehen durften. Schon unter dem mächtigen Frankenkaiser war Bardewik demnach ein wichtiger Handelsplatz im Grenzverkehre mit den transelbischen Slaven und anderen Völkerschaften des Nordens. Die schon erwähnte, altehrwürdige Zugbrücke, welche unweit der Stätte des Münzfundes die schiffbare Ilmenau überspannt, hieß bezeichnenderweise „Holstenforth“ und vermittelte über Artlenburg den Verkehr mit Mecklenburg und Holstein, sowie den Ländern rund um die Ostsee herum. Mitten auf der Brücke soll im Jahre 782 der christliche Glaubensbote Marianus erschlagen sein. Eine Sühnekapelle, die hart an der Brücke errichtet wurde, mußte nach Einführung der Reformation abgebrochen werden, weil die Menge sich von der Verehrung der Reliquien des Heiligen nicht lossagen wollte. Vieles spricht dafür, daß Bardewik statt Verdens ursprünglich als Bischofssitz ausersehen war.

Im Sachsenkriege, den Heinrich IV. zur Behauptung seiner Herrschaft zu führen hatte, hielt der junge König in Bardewik eine Zusammenkunft mit dem Dänenkönige Sven Estridson (1073 Juli 1). Der Chronist begleitet diese seine Nachricht mit dem Hinweis, keine Kunde lasse vermuten, daß irgend ein König zuvor in diese Gebiete vorgedrungen sei, eine Unkenntnis, die im Einklange damit steht, daß sich die Überlieferung über die seit Karl des Großen Heereszügen verflossenen drei Jahrhunderte, was Bardewik betrifft, auf wenige zufällige Erwähnungen beschränkt. Erst mit dem zwölften Jahrhundert beginnen die literarischen Quellen etwas reichlicher zu fließen. Nach dem Aussterben der Billunger (1106) gelangte der Bardengau mit seiner Hauptstadt an Lothar von Supplinburg, der als Kaiser wiederholt in Bardewik nachzuweisen ist (1132, 1134, März 1136). Jener Zeit mußten die Dienstleute des Stiftes Corvev aus Groningen bei Halberstadt alljährlich eine Reise nach Bardewik machen, um dort Fische einzuholen, und das Ludgerikloster in Helmstedt entsandte seine Dienstpflichtigen zu gleichem Zwecke ebendahin.

Lothars Erben wurden die Welfen, und Heinrich der Löwe, der große Städtegründer, schenkte dem wirtschaftlichen Wohlergehen Bardewiks seine besondere Aufmerksamkeit. Um die Bürgerschaft vor gefährlicher Konkurrenz zu schützen, ging er soweit, den Markt in Lübeck aufzuheben und ausdrücklich zu verfügen, daß die Kaufwaren nach .Bardewik überführt. werden sollten. Die um 1152 verkündete Handelssperre hatte jedoch für Bardewik eine nur vorübergehende Wirkung. Dem Weitblicke des Löwen konnte es nicht entgehen, daß die Lage Lübecks noch ungleich günstiger war, als die der Ilmenaustadt. und diese wurde, als Graf Adolf von Schauenburg seine Gründung zwischen Trave und Wakenitz an Herzog Heinrich abgetreten hatte (1158), nunmehr zu Gunsten Lübecks unverkennbar vernachlässigt. So breitete sich auf Seiten der Bardewiker Handelswelt eine Verstimmung gegen den Herzog vor, die in den Tagen seines Unglücks zum offenen Abfall und in der Folge zum eigenen Untergange führte. Am Tage der Apostel Simon und Judas, am 28. Oktober 1189, wurde die reiche Stadt Bardewik durch den Herzog selber, ihren angestammten Schutzherrn, völlig zerstört.

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